Um es vorwegzunehmen: ich habe tatsächlich noch verschiedene andere Lieblingsstädte in Italien. Venedig ist jedoch eine der ersten, die mich von Anbeginn faszinierte. Ohne dass ich auf Hochzeitsreise oder mit rosaroter Brille dort war.
Als ich aus dem Zug stieg und aus dem Bahnhof trat, war ich sofort in ihren Bann gezogen. Ich hatte eine gute Jahreszeit erwischt – Frühjahr – jedoch nicht Ostern! – so dass die Stadt noch nicht überlaufen war. Pulsierendes Leben herrschte auch da auf den Treppen zum Bahnhof, doch man konnte am frühen Morgen der Ankunft ganz in Ruhe den ersten Blick auf die Kanäle riskieren, sah die ersten Boote und die wunderbaren Farben, in die die Häuser von Venedig im frühen Morgenlicht getaucht sind. Viel hatte ich vorher von Venedig gehört – wenig konnte ich mir vorstellen. Die Farben der Häuser waren nicht so kräftig, wie ich sie mir nach den Fotografien vorgestellt hatte. Vieles war kaputter als ich gedacht hatte. Doch dieser verfallene Charme ist wohl das, was Venedig letztendlich einzigartig macht. Man spürt die Geschichte vergangener Jahrhunderte, man riecht den Glanz alter Zeiten, man freut sich auf die Kultur, die davon in den Museen zu sehen ist. Venedig Italien – für viele das Zentrum der Kultur neben Rom und Florenz. Venedig Italien – Sinnbild für die Liebe. Die Stadt ist voller Liebender, die ihre Hochzeitsreise dahin führt oder Verliebte, die sich einfach die Stadt ansehen, um ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen. Ich war allein da, was übrigens auch nichts machte. Mir fehlt so ein bisschen kitschige Verklärtheit, dass ich selbst mit einem Geliebten in eine Gondel steigen könnte, weil ich vor dem Gesang der Gondoliere eher Angst hätte – mir ist das einfach eine Spur zu viel Romantik. Mir reicht es, durch die Straßen zu streifen, am Kanal zu sitzen, in kleinen Cafés zu sitzen, nicht so überfüllte Plätze zu suchen, Buchhandlungen zu durchwühlen und auf das Meer zu schauen. Mein absoluter Geheimtipp: Bleib auf jeden Fall über Nacht in Venedig. Ich kenne keinen Ort der Welt, den ich nachts für so unheimlich und gleichzeitig spannend finde. Wenn man nachts durch die sehr schmalen Gassen geht, kommt man sich vor wie in einem Kriminalfilm. Man verläuft sich beim ersten Mal leicht, doch findet man immer wieder einen Weg raus und landet wieder an einem Ort, den man vorher schon gesehen hat – oder zu mindestens meint, ihn schon gesehen zu haben. Völlig verlaufen kann man sich dort nicht. Und im Notfall weißt einen ein Hotelportier zu dem Ort, an dem man übernachten will. Auf dass man am anderen Morgen wieder auf Entdeckungstour geht: zu allen tollen Orten, die in jedem Reiseführer nachzulesen sind.
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